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Zur Inhaltsⁿbersicht  4.3

  Justiz und Finanzen

4.3.1  Justiz

Mitte 1997 haben Bundestag und Bundesrat nun endlich das Justizmitteilungsgesetz (JuMiG) beschlossen [BGBl. 1997, I, S.1430; vgl. auch JB 1995, 5.7; JB 96, 4.3.1]. Das Artikelgesetz wird am 1. Juni 1998 in Kraft treten. Bis zu diesem Zeitpunkt sollen die Verwaltungsvorschriften über Mitteilungen in Straf- und Zivilsachen von den Justizverwaltungen des Bundes und der Länder überarbeitet und dabei den Regelungen des JuMiG angepaßt werden. In Berlin kann damit die provisorische Regelung des Ausführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz (AGGVG), nach der bundeseinheitliche Verwaltungsvorschriften in Berlin Gesetzeskraft hatten (§ 29 Abs.2 AGGVG), durch eine haltbare Bestimmung abgelöst werden.

Durch das JuMiG wird erstmals in Form eines Gesetzes geregelt, in welchen Fällen personenbezogene Mitteilungen der Justizbehörden über staatsanwaltschaftliche und gerichtliche Verfahren an andere öffentliche Stellen zulässig sind. Nicht aufgenommen worden ist in das Gesetz die Pflicht zur Benachrichtung des Betroffenen über die Datenübermittlungen von Amts wegen. Nur in den Fällen, in denen der Betroffene bei Mitteilungen in Strafsachen nicht zugleich der Beschuldigte oder in Zivilsachen nicht zugleich Partei oder Beteiligter ist, sieht das Gesetz eine Unterrichtung über den Inhalt und den Empfänger der Daten von Amts wegen vor. In allen übrigen Fällen wird dem Betroffenen nur auf Antrag Auskunft erteilt.

Das Gesetz enthält auch überraschende Regelungen. So verbirgt sich hinter dem geänderten § 125 Beamtenrechtsrahmengesetz auch eine Verwendungsbefugnis für nach dem JuMiG übermittelte Daten für die Wahrnehmung der Aufgaben nach dem Sicherheitsüberprüfungsgesetz (SÜG) oder einem entsprechenden Landesgesetz. Es lohnt sich also, dieses Gesetz sorgfältig zu lesen.

Im letzten Jahresbericht (vgl. JB 1996, 4.3.1) hatten wir darüber berichtet, daß die Bundesregierung noch Ende des Jahres 1996 einen eigenen Entwurf eines Strafverfahrensgesetzes vorgelegt hatte. Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten hat daraufhin am 17./18.April 1997 eine Entschließung zu den Beratungen zum Strafverfahrensänderungsgesetz (StVÄG) 1996 gefaßt, in der noch einmal wesentliche Kritikpunkte an dem Gesetzentwurf vorgestellt wurden (vgl. Anlage 2.1.1). Erst Anfang 1998 lagen die Äußerung des Bundesrates und die Gegenäußerung der Bundesregierung vor. Es ist zu befürchten, daß das Gesetzgebungsverfahren in dieser Legislaturperiode nicht mehr zu einem Abschluß kommen wird und im Justizbereich immer noch ohne ausreichende datenschutzrechtliche Regelungen gearbeitet werden muß.

Elektronisch überwachter Hausarrest - eine neue Form des Strafvollzuges

Die Senatsverwaltung für Justiz hat eine Gesetzesvorlage für eine Bundesratsinitiative des Landes Berlin zur Änderung des Strafvollzugsgesetzes vorgelegt , mit der durch die Einführung eines § 11a in das Strafvollzugsgesetz die Erprobung des elektronisch überwachten Hausarrestes im Strafvollzug in Deutschland ermöglicht werden soll. Voraussetzung soll die Einwilligung des Strafgefangenen sowie seiner Haushaltsangehörigen sein.

Nähere Vorgaben werden nicht gemacht. So stünde die ganze bislang vor allem in den USA, aber unter anderem auch in Schweden (mit angeblich gutem) und Großbritannien (mit katastrophalem Ergebnis) praktizierte bzw. erprobte Palette technischer Umsetzungen zur Disposition: die aktive Variante, bei der ein an Hand- oder Fußgelenk angebrachter Sender Signale an ein Zusatzgerät am Telefon aussendet, das mit einem entsprechenden Rechner im Justizvollzug verbunden ist und übermittelt, ob der Gefangene einen bestimmten Radius verläßt oder - bei entsprechender Ausgestaltung - in welcher Entfernung er sich vom Telefon befindet; die passive Variante, bei der sich der Gefangene auf Abruf melden muß - was den Vorteil hat, daß zusätzliche Daten abgerufen werden können (diskutiert werden nicht nur Identifizierungsdaten, sondern etwa auch die digitalisierten Ergebnisse von Alkoholtests); "watch-patrol"-Systeme, die mit Radiowellen oder Mobilfunk arbeiten und - im Gegensatz zu den vorherigen Verfahren - auch eine Kontrolle unterwegs oder am Arbeitsplatz ermöglichen. Daß das ganze auch auf Privatunternehmen "outgesourced" werden könnte, versteht sich inzwischen fast schon von selbst (in Großbritannien war man schon so vorgegangen). Das justizpolitische und kriminologische Für und Wider ist in den letzten Jahren mehrfach diskutiert worden. Zumindest in der Literatur überwiegen klar die ablehnenden Stimmen.

Basis aller Verfahren ist die Erhebung von Daten aus der Privatwohnung, sei es der Minimalinformation, daß der Wohnbereich verlassen wurde, sei es der Angabe des jeweils genau bestimmbaren Aufenthaltsorts in der Wohnung. Dies müssen durchaus nicht nur Daten des Gefangenen, sondern können gleichzeitig auch Daten anderer Haushaltsmitglieder sein (weswegen u.a. auch deren Einwilligung eingeholt werden soll). Bei watch-patrol-Systemen kommen entsprechende Bewegungsdaten auch außerhalb der Wohnung hinzu. Ungeachtet der Frage, ob die Speicherung dieser Daten gesetzlich zugelassen würde, wäre damit zumindest technisch die Erstellung der entsprechenden Bewegungsprofile möglich. Wiederum würde eine riskante Informationsinfrastruktur geschaffen. Ob als Grundlage für die Erhebung derartiger Daten die - in der Regel unter sozialen Zwängen abgegebene - Einwilligung ausreichen kann, ist (auch vor dem Hintergrund der Unverletzlichkeit der Wohnung und dem damit einhergehenden Verbot der Erhebung von Daten aus der Wohnung) zu bezweifeln. Diese Frage stellt sich dann verschärft, wenn zusätzliche Daten erhoben werden - etwa über regelmäßig zu Hause durchzuführende Alkoholtests.

Probleme anderer Art wirft der Umstand auf, daß sich die Verfahren des Telefons oder anderer Telekommunikationsmittel bedienen müssen, die derzeit noch unter den bekannten Unsicherheitsrisiken leiden. Mangelnder Abhörschutz, die Möglichkeit der Manipulation (auch durch den Gefangenen selbst) oder Authentifikationsprobleme machen einen hohen Aufwand für die Informationssicherheit erforderlich, der die Kostenvorteile in Frage stellen kann.

Auf abstrakterer Ebene stellt sich die Frage, ob das Überstülpen eines elektronischen Käfigs den Menschen nicht "zum Objekt eines technischen Überwachungsapparates" (so zuletzt der ehemalige Generalstaatsanwalt Ostendorf in: ZRP 97, 473 ff.) macht und damit auf unverhältnismäßige Weise in seine unabdingbaren Freiheitsrechte eingreift. Das unaufhaltsame Vordringen der Informationstechnik macht es zunehmend erforderlich, Grenzen der Digitalisierung zu markieren, zumal wenn der Staat als Hoheitsträger oder gar wie hier als Strafvollstrecker auftritt. Die in den USA angeblich ernsthaft diskutierte Idee, die Elektronische Fessel dahingehend weiterzuentwickeln, daß beim virtuellen Berühren der Käfigstäbe das Sendegerät nach Art eines elektrischen Weidezauns Stromschläge austeilt, zeigt, welche Weiterungen ins Blickfeld geraten, wenn man alle Grenzen ignoriert. Der Schritt zum gleichzeitig empfangenden und sendenden Televisor Orwells zur Überwachung des Bürgers scheint dann gar nicht mehr so groß.

Mit einer baldigen Entscheidung über den Gesetzentwurf wird in Berlin derzeit offenbar nicht gerechnet. Die ursprünglich für 1998 für die Einführung der elektronischen Fußfessel vorgesehenen Haushaltsmittel in Höhe von fast DM 500.000,- sind gestrichen worden.

Korruptionsbekämpfung

Im Jahresbericht 1996 (vgl. JB 1996, 4.3.1 hatten wir über die Planung der Senatsverwaltung für Justiz berichtet, ein Gesetz über die Einrichtung einer Zentralen Erfassungs- und Koordinierungsstelle zur Vorbeugung gegen Korruption zu schaffen. Gegen die Vorstellungen der Senatsverwaltung für Justiz bestanden erhebliche datenschutzrechtliche Bedenken.

In diesem Jahr hat die Senatsverwaltung für Justiz den Gesetzentwurf aufgrund zahlreicher Einwände verschiedener Stellen nochmals überarbeitet, dabei jedoch nur wenigen datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten Rechnung getragen. Wir mußten die Senatsverwaltung daher darauf hinweisen, daß unsere Hauptkritikpunkte nach wie vor bestehen. Auch in der letzten, uns bekannten Fassung enthält der Gesetzentwurf keine klare Abgrenzung der Befugnisse der geplanten Koordinierungsgruppe von der Tätigkeit der Polizei zur vorbeugenden Verbrechensbekämpfung sowie der Tätigkeit der Staatsanwaltschaft bei der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens.

Immer mehr andere Bundesländer haben im übrigen die Bekämpfung der Korruption im öffentlichen Dienst auf eine Sondergruppe bei den jeweiligen Staatsanwaltschaften übertragen - eine rechtstaatlich klare Lösung, die wir auch aus Sicht des Datenschutzes nur unterstützen können. Nach dem überraschenden Wechsel an der Spitze der Senatsverwaltung für Justiz wird das Projekt in dieser Form nicht mehr weiterverfolgt.

Verbesserungen im Strafvollzug

In unserem Jahresbericht 1995 (vgl. JB 1995, 3.4) hatten wir über unsere Querschnittsprüfung in der größten Berliner Justizvollzugsanstalt, der JVA Tegel, berichtet. In der Zwischenzeit haben mit Mitarbeitern der JVA Tegel und der Senatsverwaltung für Justiz zahlreiche Besprechungen zur Abarbeitung der bei der Querschnittsprüfung festgestellten Probleme stattgefunden. Bei diesen Besprechungen, aber auch bei der Bearbeitung von Eingaben, die die JVA Tegel betrafen, haben wir festgestellt, daß die Aufgeschlossenheit der Mitarbeiter gegenüber datenschutzrechtlichen Fragen und der Wille, Lösungen für diese Probleme zu finden, in eindrucksvoller Weise gestiegen ist. Dies zeigt sich auch darin, daß die Mitarbeiter der JVA Tegel im Rahmen der Verwaltungsreform einen Fortbildungsbedarf in datenschutzrechtlichen Fragen angemeldet haben, dem die Anstaltsleitung nachkommt. Ein praktisches Beispiel für die Aufgeschlossenheit der Mitarbeiter ist die Suche nach einer Alternative zu offenen Tafeln, die in den Gefangenen zugänglichen Räumen hängen und Gefangenendaten enthalten. Aus Althölzern wurde eine Falttafel konstruiert, die anstelle der offenen Tafeln aufgehängt werden kann. Die Werkstätten der Anstalt werden von dem Prototypen nach und nach Nachbauten anfertigen. Damit kann das datenschutzrechtliche Problem der unzulässigen Offenbarung von Gefangenendaten an Dritte in doppelter Hinsicht gut gelöst werden.

Die folgenden Verbesserungen konnten in der Zwischenheit aufgrund unserer Gespräche mit der JVA Tegel und der Senatsverwaltung für Justiz erreicht werden:

  • Alle Berliner Justizvollzugsanstalten haben inzwischen ein internes Dateienregister erstellt.
  • Lichtbilder von Gefangenen, die zu erkennungsdienstlichen Zwecken gefertigt worden sind, werden in Zukunft nur noch in der Vollzugsgeschäftsstelle und in den Teilanstalten (dort entweder in der Zentrale oder im Hausbüro) gesammelt werden. Das Fotostudio der JVA Tegel ist aufgelöst worden.
  • Bei Entlassung eines Gefangenen in die Freiheit erfolgt eine Vernichtung aller zu erkennungsdienstlichen Zwecken gefertigten Lichtbilder in der JVA Tegel von Amts wegen.
  • Die Anzahl der Stellen, die wöchentlich eine aktuelle Liste mit den Namen der Gefangenen erhalten, die der organisierten Kriminalität zugerechnet werden oder bei denen eine besondere Fluchtgefahr besteht, wurde um 25 Stellen verringert.

Die Mitarbeiter der JVA Tegel beschäftigen sich zur Zeit mit der Frage, wie lange die personenbezogenen Unterlagen, die auch Gefangenendaten enthalten, tatsächlich für ihre Aufgabenerfüllung benötigt werden. Das Thema der Aufbewahrungsfristen wird eines der nächsten Themen in unseren Gesprächsrunden sein.

Nun doch noch: Ein Merkblatt zu datenschutzrechtlichen Fragen nach Ehescheidung

Im Jahresbericht 1995 (vgl. JB 1995, 5.7) hatten wir über ein datenschutzrechtliches Problem bei Ehescheidungsverbundurteilen berichtet. Nach dem Ausspruch der Scheidung erhalten die geschiedenen Eheleute ein Urteil, das in seinem Urteilstenor die einzelnen Entscheidungen des Gerichtes - wie beispielsweise den Scheidungsausspruch, die Entscheidung über die elterliche Sorge oder über den Versorgungsausgleich - enthält. Da nach der Scheidung zahlreiche Behörden und sonstige Stellen die Vorlage des Scheidungsurteils verlangen, für ihre Aufgabenerfüllung aber nur einen einzelnen Entscheidungsausspruch aus dem Urteilstenor benötigen, hatten wir bei der Senatsverwaltung für Justiz angeregt, den Parteien nach der Scheidung ein Merkblatt zuzusenden, das auf die Möglichkeit verweist, sich für die verschiedenen Vorlagezwecke des Scheidungsurteils entsprechende Auszüge aus dem Scheidungstenor fertigen zu lassen.

Nachdem die Senatsverwaltung für Justiz ein solches Merkblatt zunächst nicht für erforderlich hielt, hat sie nun aufgrund einer entsprechenden Empfehlung des Unterausschusses "Datenschutz" des Abgeordnetenhauses die Versendung eines entsprechenden Merkblattes zusammen mit dem Scheidungsurteil bei den Gerichten angeordnet. Damit wird es den Parteien nach einer Ehescheidung wesentlich erleichtert, ihre Datenschutzrechte wahrzunehmen.

Ein Merkblatt für Bürger, das auf Datenschutzrechte hinweist, ist auch eine Form der Bürgerfreundlichkeit.

Übermittlung einer vollständigen Urteilsabschrift an eine Behörde

Ein Berliner Amtsgericht übermittelte an die für die Führung des Wählerverzeichnisses zuständige Abteilung der Senatsverwaltung für Inneres eine vollständige beglaubigte Abschrift eines strafrechtlichen Urteils des Landgerichtes Berlin. In dem Urteil war die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden. Es enthielt eine detaillierte Schilderung der Lebensgeschichte des Betroffenen sowie seiner Taten, deretwegen das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet hatte. Darüber hinaus waren gutachterliche Beurteilungen über den Betroffenen, die Namen des Opfers und der Zeugen in dem Urteil enthalten.
Die Übersendung einer vollständigen Urteilsabschrift an die für das Wählerverzeichnis zuständige Verwaltungsbehörde stellt einen Verstoß gegen § 29 Abs.2 AGGBG i.V.m. den Nrn. 12a Abs.2 und 8, Abs.4 der Mitteilungen in Strafsachen (MiStra) dar, da die Übersendung einer vollständigen Urteilsabschrift für die Aufgabenerfüllung der Verwaltungsbehörde nicht erforderlich war. Die sich aus den MiStra ergebende Mitteilungspflicht bezieht sich nur auf die Tatsache, daß eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden ist. Alle anderen Daten sind für die Arbeit der Senatsverwaltung für Inneres ohne Belang. Wir haben deshalb gegenüber der Senatsverwaltung für Justiz eine Beanstandung ausgesprochen. Die Senatsverwaltung sieht in der Übersendung der vollständigen Urteilsabschrift ebenfalls einen Verstoß gegen datenschutzrechtliche Vorschriften. Sie geht von einem Einzelfall aus. Es bleibt zu hoffen, daß sie recht hat.

Bei jeder Datenübermittlung nach MiStra ist die Erforderlichkeit der Daten für den Empfänger vorab zu prüfen.

4.3.2  Finanzen

Seit vielen Jahren (vgl. JB 1996, 1.1) fordern die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder die Aufnahme datenschutzrechtlicher Bestimmungen in die Abgabenordnung (AO). Auch dieses Berichtsjahr ist abgelaufen, ohne daß sich das Bundesministerium der Finanzen und die Landesfinanzverwaltungen inhaltlich weiterführend mit den Vorschlägen der Datenschutzbeauftragten befaßt hätten. Die Diskussion ist festgefahren, da die Finanzverwaltungen sie unter dem Gesichtspunkt führen, daß das Steuerrecht bereits eine umfassende, alles abdeckende Datenschutzvorschrift enthalte, nämlich die Regelung des Steuergeheimnisses. Dabei setzen sich die Behörden leider nicht mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes im Volkszählungsurteil auseinander. Der Reformstau betrifft also nicht nur die Neuordnung des Einkommensteuerrechts, sondern auch die Berücksichtigung der informationellen Selbstbestimmung durch die Finanzverwaltung.

Mitteilungsblatt der Steuerberaterkammer als Pranger

Ein Bürger machte uns darauf aufmerksam, daß die Steuerberaterkammer in ihrem Mitteilungsblatt regelmäßig die Namen und Adressen von Personen veröffentlicht, die strafbewehrte Unterlassungserklärungen gegenüber der Kammer haben abgeben müssen, oder gegen die eine einstweilige Verfügung wegen wettbewerbswidrigen Handelns ergangen ist, die verurteilt worden sind wegen Mißbrauchs von Titeln oder die nach einem Beschluß des Landgerichtes noch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben haben. Das Mitteilungsblatt der Steuerberaterkammer wird nicht nur von Kammermitgliedern gelesen, es liegt auch in öffentlich zugänglichen Bibliotheken aus.
Zur Rechtfertigung wurden die verschiedensten Rechtsgrundlagen herangezogen. So zum Beispiel § 23 Abs.2 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), der eine gerichtliche Anordnung voraussetzt oder § 76 Abs.1 Steuerberatergesetz, der die Interessenwahrnehmung der Kammer für ihre Mitglieder festschreibt. Diese Bestimmungen sind so allgemein, daß sie eine derart eingreifende Maßnahme nicht stützen können.

Die Veröffentlichung personenbezogener Daten beurteilt sich vielmehr nach § 13 BlnDSG, da sie eine Datenübermittlung einer öffentlichen Stelle an Personen außerhalb des öffentlichen Bereiches darstellt. Die Kammermitglieder, die Adressaten des Mitteilungsblattes sind, sind gegenüber der Körperschaft Dritte, so daß eine Datenübermittlung an Dritte vorliegt. Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Datenübermittlung an Dritte ist eine ausdrückliche Rechtsvorschrift, die diese erlaubt (oder aber die Einwilligung des Betroffenen). Eine derartige Rechtsvorschrift gibt es aber nicht. Der von der Steuerberaterkammer herangezogene
§ 76 Abs. 1 StberG stellt nur eine Aufgabenbeschreibung dar. § 23 Abs. 2 UWG lag nicht vor, denn in keinem Fall hatte ein Gericht die Veröffentlichung der zivilrechtlichen Entscheidung auf Antrag des Klägers im Urteil wegen eines Wettbewerbsverstoßes angeordnet. Strafrechtliche Urteile wegen Mißbrauchs von Titeln, in denen auch eine Veröffentlichung des Urteils verkündet worden wäre, sind uns ebenfalls nicht bekannt.

Die Steuerberaterkammer teilte inzwischen mit, sie werde bei der derzeitigen Rechtslage keine solchen Veröffentlichungen mehr vornehmen.

Falsche Angabe zum Auftraggeber

Ein Erbin erhielt in einer seit langem beim Amt zur Regelung offener Vermögensfragen (AROV) anhängigen Vermögensrückübertragungsangelegenheit "aus heiterem Himmel" von einer Beratungsgesellschaft ein Schreiben, wonach diese "gemäß beigefügter Vollmacht des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen (LAROV Berlin) beauftragt" sei, "Recherchen zur Feststellung von Eigentumsveränderungen und Rechtsnachfolgen an restitutionsbelasteten Grundstücken" durchzuführen.
Die der Beratungsgesellschaft erteilte Vollmacht ermächtigte nur zur Recherche bei Vermessungs- und Grundstücksämtern (nicht aber bei Privaten) und resultierte aus einem zwischen dem LAROV und der Beratungsgesellschaft geschlossenen Vertrag. Die Beratungsgesellschaft ist im vorliegenden Fall jedoch nicht für das LAROV tätig geworden, sondern tatsächlich für verschiedene Wohnungsbaugesellschaften. Diese haben nämlich an der Beschleunigung der Rückübertragungsverfahren (wegen der ihnen nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen zustehenden Verfügungsberechtigung) ein nicht unerhebliches Eigeninteresse. Deswegen haben sie die Durchführung von Recherchen zur Feststellung von Eigentumsveränderungen und Rechtsnachfolgen durch die Beratungsgesellschaft veranlaßt. Die so gewonnenen Erkenntnisse wurden dem jeweils zuständigen AROV übersandt. Sie sind also weder bei der Beratungsgesellschaft noch bei der jeweiligen Wohnungsbaugesellschaft gespeichert worden. Durch die Verwendung der Vollmacht ist allerdings bei den Befragten der Eindruck erweckt worden, daß das LAROV (als - den für die Entscheidungen in Restitutionsverfahren zuständigen Ämtern zur Regelung offener Vermögensfragen - übergeordnete Behörde) der Auftraggeber für die Recherchetätigkeit sei.

Wir konnten dem LAROV die fehlerhafte Verwendung seiner Vollmacht durch die Beratungsgesellschaft nicht vorwerfen, zumal nicht nachzuweisen war, daß ihm die Verwendung bekannt gewesen ist. Die Verfahrensweise der Beratungsgesellschaft selbst war aber rechtswidrig, weil sie gegen § 28 Abs.1 Satz 2 BDSG verstoßen hat. Danach müssen personenbezogene Daten nach Treu und Glauben und auf rechtmäßige Weise erhoben werden. Davon kann jedoch dann nicht ausgegangen werden, wenn dem Betroffenen durch Vorlage der Vollmacht einer Behörde vorgespiegelt wird, diese sei der "Initiator" für die durch die Beratungsgesellschaft durchzuführende Recherchetätigkeit. Es würde sonst ein Rechtsschein gesetzt, der auch einem der tragenden datenschutzrechtlichen Grundsätze zuwiderläuft, nach dem der Betroffene ein Recht darauf hat zu wissen, wer sich tatsächlich als Auftraggeber hinter derjenigen Stelle verbirgt, die die Erhebung personenbezogener Daten faktisch betreibt. Die Beratungsgesellschaft hatte die Tätigkeit für die Wohnungsbaugesellschaften zwischenzeitlich eingestellt.

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